31.01.2016 Ein besonderer Tag

Dieser Sonntag war ein besonderer Tag. Jeder der Anwesenden konnte spüren, dass hier eine Gruppe zusammengewachsen war. Eine Gruppe, bei der es keiner Namensschilder mehr bedurfte, die mit einem Lächeln die Eigenarten der anderen im Erklären und Klären der anstehenden Aufgaben auf zwei Sprachen verstand und abwartete. Ja es war eine Atmosphäre in der Luft, die man schon mit Zuneigung beschreiben kann.

Ausgewählte syrische und deutsche Rezepte, die für unser Fest der Sinne bereitet werden sollten schrieben die Teilnehmenden sorgsam auf großformatiges Papier (klar doch: auf arabisch und deutsch), drapierten die Zutaten darum und erstellten so ein schönes Gesamtbild. Im Laufe des Tages wurden diese Bilder von unserem Filmer Phillip von Zitzewitz fotografiert.

Diese stille und aufwendige Arbeit erfüllte die Räume der arche den ganzen Tag. Zutaten, die nicht vorhanden waren wurden gezeichnet oder Bilder aus dem Internet gezogen, gedruckt und ausgeschnitten. Die Beteiligten rangen um die richtige Bildkomposition und Matthias sorgte für die nötige Kommunikation mit Phillip, der unablässig zwischen seinem Fotoplatz auf der Empore und dem Motiv unten in den Ausstellungsräumen pendelte.

Aber unsere Gruppe wäre nicht unsere Gruppe wenn alles ausschließlich ernst und ruhig wäre. Salim, Saleh, Werner, Rudolph und Belal hatten sich schnell zusammengefunden und improvisierten ausgelassen mit Trommeln und Gitarre. Es wurde gesungen und von Zeit zu Zeit kam immer jemand anderes vorbei, der dazu tanzte. Dies war der Soundtrack dieses Tages.

Einen ruhigen Moment gab es, als die Flavouristin Susanne Otte ihr kleines Kästchen öffnete, in dem Essenzen der  Düfte waren, die die Gruppe als Heimatdüfte bezeichnete. Jasmin, Kardamom, Damaszener Rose, Himbeere, Fichtenwald und vieles Mehr erschnupperten wir und wurden von Susanne in das Wissen um die Welt der Dürfte eingeführt. Wie war das noch. Der Duftsinn überspringt Areale im Gehirn und setzt direkt Emotionen frei. Ja so mancher roch an dem Papierstreifen mit Jasmin und die Augen wurden glasig und um den Mund bildete sich ein sehnsüchtiges Lächeln.

In einem Teil der arche bauten Birgitta und ich ein Wohnzimmer auf aus Möbeln,die wir aus dem Kaufhaus „die zweite Hand“ ausgeliehen hatten. Eine Art von Möbeln, die wohl bei einigen Erinnerungen an die Großeltern/Eltern wachrufen und die gleichzeitig den Flüchtlingen für ihre heutige Einrichtung dienen.

Wir entwickelten folgende Szenerie:

Auf dem Sofa dieses Wohnzimmers sitzen zwei Menschen, die sich langweilen.  Langweilen ist nicht gut. Also kommen nach und nach immer mehr Menschen auf dieses Sofa, freuen sich und da das Sofa zu klein wird und auch das Zimmer nicht reicht, stehen sie auf, gehen in den großen Raum, trommeln, eröffnen mit ihren Trommeln ein Hochzeitsfest und rufen auf deutsch und arabisch: Guten Appetit!

30.01.2016

Am Samstag danach schauten sich 20 müde und dennoch unternehmungslustige Augenpaare gegenseitig an. Das letzte Workshopwochenende hatte begonnen.

Einige organisatorische Dinge wurden besprochen. Unter anderem war es der Wunsch unseres Filmers Philipp von Zitzewitz alle Teilnehmenden zu interviewen um die vielen unterschiedlichen Erfahrungen in die filmische Projektdokumentation aufnehmen zu können. Eine Liste wurde ausgelegt und vor meinem inneren Auge hörte ich Etti, Rudolf, Hussein, Ahmed, Salim, Saleh, Barbara… über unsere Zeit sprechen. Jeder Teilnehmer hat darin ein Gesicht, eine Stimme, nicht nur: „Die Teilnehmenden“, wie ich hier so oft aus Platzgründen schreibe.

Unsere nächste Performance wird ein Fest, ein „Fest der Sinne“. In drei Einzelgruppen schrieben die Teilnehmenden auf, was für sie dazu gehört. Es wurde viel diskutiert, erklärt und im Geiste schon organisiert. Jede Gruppe stellte dann ihre Wünsche an so ein Fest vor. Und das ist nun eine sehr internationale Sache. Wir brauchen: was zum Essen und Trinken, Unterhaltung/Musik und einen geschmückten Raum.

Gesagt – geplant – gekauft.

Mit je einer Videokamera bewaffnet machte sich eine Gruppe auf den Weg um Lebensmittel und eine andere um Deko einzukaufen. Beide Teams filmten ihren Trip durch Hameln. Tedi, Lidl und ein arabischer Lebensmittelladen wurden angesteuert. Girlanden wurden verglichen, diverse Faschingsmasken, -hüte und -utensilien ausprobiert, über riesige Tahindosen gewitzelt und, nach einem Drehverbot bei Tedi, der gesamte Einkauf in einer Passage der Kamera vorgeführt.

Dann ging es wieder in die arche. Eine dritte Gruppe hatte sich in der Zwischenzeit  um Spielideen und die weitere Organisation gekümmert. Ich bin schon gespannt auf: Schnick Schnack Schnuck, Spiele mit Luftballons etc.

Vor der Verabschiedung machte die gesamte Gruppe noch eine Liste von Speisen, die sie gerne mitbringen möchte. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen, wenn ich an die Speisekarte denke. Das wird ein Fest. So dachten wohl einige, denn selbst nach einem Tag der Organisation, blickte man in kein gelangweiltes Augenpaar.

29.01.2016

Nach einer kleinen Ansprache an unser treues Publikum verdunkelten sich an diesem Abend die Ausstellungsräume der arche. Ein Teil der Gruppe betrat den Raum mit Kerzen, auf der Empore stellte sich ihnen der andere Teil gegenüber. „O wie wohl ist mir am Abend“ tönte durch die arche und verebbte dann wieder. Darauf folgte das Stimmengewirr der gesamten Hockets, dann jedes Stimmenpaar einzeln. Nachdem die Gruppe von der Empore hinabgestiegen war, stand dieser Teil der Gruppe vor den anderen und bildete mit ihren Kerzen eine Art Gang in Richtung des Publikums. Auf der einen Seite saß Rudolf und sang mit seinem Banjo „Meine Heimat ist der Norden“, auf der anderen stand Ahmed und sang darauf folgend ein arabisches Lied. Die Stimmung war sehr ergreifend und einige Tränen flossen. Aufgefangen und aufgeweckt wurden die Zuschauer durch einen leisen Perkussionsklang, Klangkörper war die arche selbst, ein Archeklang.

“When we all give the power…. then we all get the power! Life is life”. Myra und Matthias brachten auf erfrischende Weise das Publikum zum Mitsingen. Na na na na na. Klänge der Sängerin Fairuz auf dem Klavier und ein noch lauterer Archeklang leiteten zu der Pantomime von Belal, Mostafa und Ahmed. Ich kann nur wieder auf das Video verweisen. Die leisen Klänge der Sass von Saleh holten uns gedanklich wieder in die arche zurück. Nach einem selbst gedichteten Lied von Salim über die eingeschlossenen Menschen in Syrien, entlud sich alle Energie in einem ohrenbetäubend lauten Archeklang.

„ The road goes on“ von Toto gesungen von Ennio (plus Gitarre), Henning (Klavier)und Salim (Cachon) schloss den Reigen der Solis. Die drei versetzen das Publikum so treffend in die Stimmung eines Roadmovies, der immer die großen Möglichkeiten im Leben zeigt und die Chance sich und andere neu zu sehen, dass mir folgendes geblieben ist:

  • “So like thunder I am breaking free in the landscape of the heart”-

Nach den Soundscapes, die für viel Unterhaltung sorgten, klang der Abend mit “O wie Wohl ist mir am Abend” aus und auch die Kerzen löschten sich, die arche war wieder dunkel.

Was für ein Abend. Viele meinten es sei die beste Performance gewesen.

Es war eine ergreifende Mischung aus Ernst, Lebenslust, Freude, Nachdenklichkeit, wie das Wechselspiel von Hell und Dunkel an diesem Abend.

24.01.2016

Der Sonntag war geprägt von einer konzentrierten Probenatmosphäre. Alle Teile, die bei der anstehenden Performance am Freitag vorgebracht werden sollten wurden verfeinert und mehrmals wiederholt, wie bei einer richtigen Künstlertruppe.

Den Hockets, so nennt man in der Musik das Teilen einer Melodie- hier eines Textes, wurden eine räumliche Dimension gegeben. So standen sich die „Hocketpäärchen“ zunächst in einem Abstand von einem Meter gegenüber und sprachen. Dieser Abstand vergrößerte sich, als ein Teil auf die Empore geschickt wurde und so die Stimmen um mehr als sechs Meter getrennt waren. Jeder Teilnehmer musste so seinen Text intensiver versenden, genauer sprechen und noch mehr bei seinem Partner sein. Schnelligkeit und Lautstärke wurden ausgelotet. Auch die anfänglichen Spickzettel verschwanden größtenteils.

Wir ließen uns auch nicht den Genuss entgehen alle Gedichte und auch Lieder in einem babylonischem Stimmengewirr auf einmal zu sprechen/singen.

Nach einer wohlverdienten Pause zeigten Mostafa, Belal und Ahmed eine Pantomime. Auch die Stille, das ohne Worte sein, gehört zur Musik. Da ich kaum beschreiben kann, wie intensiv und authentisch diese drei jungen Männer das Leiden des syrischen Volkes durch den Diktator Bashar al Assad darstellten, bitte ich Euch das unten gepostete Video anzuschauen. Ja auch die Stille gehört dazu und nicht nur die äußerliche.

Die Konzentration der Arbeit in den Gruppen wurde auch durch das Wissen befeuert, dass an diesem Tag ein Aufnahmegerät für die Audioinstallation unserer Ausstellung mitlief. So wurde auch an den Soundscapes gefeilt. Bilder zur visuellen Orientierung waren nicht mehr nötig. Besonders die Gruppe mit dem Thema Stadt erweiterte ihren Klangschatz: arabische Rufer, Sirenen, ein Stromausfall, ein Rockkonzert…

Mit einem Ausblick auf Freitag endete der Tag. Kerzen in der dunklen Arche. „O wie wohl ist mir am Abend“

23.01.16 Wie klingt Heimat?

Trotz eines aufreibenden Freitags bildete sich an diesem Wochenende eine intensiv
miteinander arbeitende Gruppe von 20 Teilnehmenden. Nach nur dreimal
durchsingen konnten alle „O wie wohl ist mir am Abend“ im Kanon singen!
Wie klingt Heimat? Dazu taten sich drei Gruppen zu dem Thema Landschaft, zu
Hause und Stadt zueinander. Um eine Vorstellung von den Geräuschen zu
bekommen malte jede Gruppe ein Bild von den Geräuschursachen: Das Meer, Autos,
eine Waschmaschine etc. So entstanden drei syrisch irakisch deutsche
Soundscapes. Wo kann man das hören? Nur hier.
Die Präsentation vor der gesamten Gruppe war ein Riesenspaß. „Belal unter der
Dusche“ war das Highlight!
Wo bin ich hier? Wie klingt das? Die arche wurde zum klingen gebracht: Mit Haänden
und Füßen, Bierbänken, Kleiderbügeln, Stöcken… Ein ohrenbetäubendes
Perkussionsgewirr folgte auf leises Klopfen. Energie wurde in rauen Mengen
losgelassen.
Es gab auch die Momente der Solisten. So spiele Ennio „The road goes on“ von Toto,
begleitet von seinem Vater Henning und spontan von Salim auf der Cachon.
Breakdance war auch geboten!!
Ein Vers du, aus deinem Gedicht – ein Vers ich, aus meinem Gedicht
Ein Vers du, aus deinem Gedicht – ein Vers ich, aus meinem Gedicht
Usw.
Auf diese Weise trafen sich: Goethe, Ringelnatz, arabische Liebesgedichte, ein
Backrezept, das Horoskop auf arabisch, eine arabische Sportgerätewerbung…..
Beschwingt gingen wir nach Hause.

22.01.16 Hürden überwinden

Die Videoinstallation läuft! Sie ist hinreißend geworden und unsere Teilnehmenden stehen staunend und freudig davor. In Fast-Lebensgröße laufen sie an den Wänden entlang und sind doch gleichzeitig im Raum, ein Heidenspaß!

Leider müssen wir das Vergnügen unterbrechen, die vielen Einzelteile des Wokshops der letzten Woche wollen noch zu der Performance zusammengefügt werden. Wir Leiterinnen erklären den Ablauf. Der Beginn, der zum Aufhängen der Wunschtafeln führt, wurde noch nicht probiert. Alle gehen auf die Galerie um die eigene Tafel zu holen: doch es geht nicht auf: einige Teilnehmer fehlen, andere sind neu dazu gekommen und haben ganz andere Wünsche! Wir versuchen auch die Neuzugänge zu integrieren. Doch dies endet in Chaos, Unzufriedenheit und Unsicherheit, spätestens bei den Tänzen wird sich verheddert und das Geübte geht unter. Die Performer beschweren sich: nur diejenigen, die am Wochenende die Einzelteile erarbeitet haben, sollen mitmachen! Die Leitung lernt und die Neuzugänge werden zu Zuschauern. Leider war diese Vorbereitung ganz schön aufreibend, doch nachdem alle durchgeatmet haben gelingt die Performance:

Ein stampfender, rhythmischer Einzug, das Tragen der Wunschtafeln durch den Raum und plazieren an der Wand, menschliche Standbilder für Frieden, Lernen, Frauenrechte, Hürden überwinden und Gleichheit, dann die Tänze: mittelalterlich, syrisch, kurdisch, ein Kindertanz und ein langsamer Walzer. Am Ende begeisterter  Applaus.

Performer und Gäste mischen sich, fragen, tauschen sich aus, während die Videoinstallation läuft. Um diese in Ruhe anzuschauen muss man allerdings wiederkommen, denn die arche ist voller Menschen und so ist die Sicht auf die Projektionen verstellt. Doch es gibt ja noch die Öffnungszeiten.

Videoinstallation: Begegnung – Heimat

Idee und Konzept: Cornelia Hellbrügge, Birgitta Martin
Kamera und Schnitt: Philipp von Zitzewitz

Ausführende und Entwickler der Einzelelemente: alle Teilnehmenden

17.01.16

Zu Beginn des Tages stand die Frage im Raum was mit den Spenden, die bei der ersten Performance eingenommen wurden, geschehen soll. Die Gruppe war sich schnell einig: Wir wollen uns weiter treffen, deutsch und arabisch lernen, zusammen tanzen und essen!

Oder wie Rudoph sagte: Wir schaffen das im kleinen, was die Großen im Großen nicht schaffen. Es war ein besonderer Moment.

Dann wurde es wieder heiter. Wir spielten ein Bewegungsspiel aus Kindertagen. „Ochs am Berg eins zwei drei“. https://de.wikipedia.org/wiki/Ochs_am_Berg  …für alle, die es nicht kennen! Spannender Weise kenne ich es so, anders als bei wikipedia, dass der Ochs sich bei drei umdreht und so spielt man es auch in Syrien, jedoch ohne den Ochs. Apropos: Versuche mal „Ochs am Berg“ zu übersetzen…alle haben gelacht.

Danach blickten wir nochmals auf unsere Wunschwand. Aus den vorwiegenden Themen Frieden, Gemeinschaft/Familie, Hürden überwinden und Gleichheit/Bildung formten Kleingruppen Standbilder.  Joudi, Mustafa, Reem, Ahmed und Hussein überraschten, als sie zusätzlich ein Standbild zum Thema Frauenrechte formten.

Es gab zwei Besonderheiten an diesem Tag. Philipp von Zitzewitz, der Filmer für das gesamte Projekt, filmte die Standbilder, Spiele und Tänze. Dabei arrangierten die Teilnehmenden ihre Darbietungen so, dass sie in den streng komponierten Bildausschnitt passten, der für die geplante Videoinstallation notwendig war. Der „Videobeweis“ folgte: waren die Füße noch drauf? Philipp beriet, es wurde neu arrangiert, diskutiert….

Was würde daraus entstehen??

Des weiteren bekamen wir Besuch vom NDR. Herr Purk machte sich ein Bild von der Stimmung, interviewte Teilnehmende, sowie Birgitta und mich.

Intensive drei Tage lagen nun wieder hinter uns.

16.1.16 Wünsche und Tänze

Erfüllt und noch etwas erschöpft vom Vorabend begann die zweite Workshopphase, doch im Tanzen wurden alle wieder munter. Tänze aus dem arabischen Raum waren schnell gefunden – und schließlich auch von den Hamelner Beinen gelernt. Deutsche Tänze waren schwieriger ausfindig zu machen, doch schließlich entwickelte sich ein kleines Repertoire.

Anschließend haben wir Wünsche gesammelt, was wünsche ich für die nächste Zukunft? „Frieden, Glück, Gesundheit, Liebe, Gleichheit, dass die Familie und Freunde wieder zusammen kommen können, Hürden überwinden, Freunde finden, lernen und teilen“ waren bald an die Wand geheftet. Diese Wünsche laut und vernehmlich zu sprechen und so in die Welt zu geben war ein nächster Schritt.

Mit einem gemeinsamen Tanz wurde der Nachmittag beschlossen, mit Vorfreude auf den nächsten Tag.